Stress und die Folgen
Stress – Stress – Stress – er begegnet uns überall. Aber wenn du diesen Artikel liest, wird sich dein ganzer Stress in Luft auflösen. Schiebe ihn für immer und ewig aus deinem Leben, es ist ganz einfach.
Leider müssen wir dich enttäuschen und wollen uns nicht in die unzähligen Ratgeber einreihen, die dir dieses nicht einhaltbare Versprechen machen. Denn konstruktive Stressbewältigung beginnt dann, wenn wir Stress von Zeit zu Zeit akzeptieren und eine innere Bereitschaft entwickeln, ihn besser kennenzlernen, um anschließend Lösungen zu finden. Denn der erste Fakt ist: Stress ist eine natürliche Reaktion und gehört zum Leben dazu.
Hans Selye gilt als Vater der modernen Stressforschung. Er beschreibt Stress als eine allgemeine, unspezifische Reaktion, die im gesamten Körper abläuft, um sich an Anforderungen oder Belastungen anzupassen. Der Reiz, der diese Reaktion auslöst, wird als Stressor bezeichnet. Solche Stressoren können beispielweise Lärm, Hitze oder eine anstehende Präsentation sein. Das Grundmuster unserer Stressreaktion stammt aus der Steinzeit und sollte uns in potenziellen Gefahrensituationen (z.B., wenn unsere Vorfahren einem Säbelzahntiger begegnet sind) helfen. In einer wahrgenommenen Gefahrensituation ist ein bestimmtes Gehirnareal besonders aktiv - die sogenannte Amygdala. Sie sendet elektrische Signale an den Hypothalamus, der das Signal an unseren Körper weitergibt. Durch die Nebenniererinde werden dann Stresshormone, wie Cortisol, Noradrenalin und Adrenalin ausgeschüttet (sh. Abbildung 1). Diese Stresshormone führen dann zu Veränderungen in unserem Körper: Wir sind hellwach, der Puls steigt und wir beginnen, schneller zu atmen, damit unsere Muskeln mit mehr Blut und Sauerstoff versorgt werden und sich anspannen.
Abbildung 1: Neurophysiologische Stressreaktion
Das soll uns helfen, bei einer Gefahr schnell zu fliehen oder uns auf den Kampf vorbereiten. Heute begegnen wir nur noch selten wilden Tieren – die Stressreaktion funktioniert aber noch genauso. Auch in einem normalen Streit wird unser Körper noch heute in Alarmbereitschaft versetzt, was uns oft daran hindert, in Ruhe nach Lösungen zu suchen. Stress ist dabei nicht per se schlecht. Im richtigen Maß ist Stress sogar motivierend und treibt dich an. Man spricht hier vom sogenannten Eustress. Stress wird erst dann gesundheitsschädlich, wenn eine chronische Über- oder Unterforderung auftritt – dann spricht man von Distress. Deshalb wird auch davon gesprochen, dass Stress und Leistungsfähigkeit, wie ein umgekehrtes U zusammenhängen (sh. Abbildung 2).
Abbildung 2: Zusammenhang zwischen Stress und Leistung
Wenn Stress zu lange andauert, dann kann es zu gesundheitsschädlichen Folgen kommen, wie beispielsweise Burn-Out, Depressionen oder Angststörungen. Mittlerweile dokumentieren viele Studien auch das Zusammenspiel von Psyche und Körper. Magen-Darm-Probleme, Rücken- und Kopfschmerzen treten meist vor einem Burn-out auf. Der Körper weist oft schon auf Probleme hin, bevor die Psyche reagiert. Auf lange Sicht unterdrückt Stress das Immunsystem und erhöht das Risiko für koronare Herzerkrankungen. Häufig zieht Distress auch zusätzlich soziale Probleme mit sich: Als Folge von Reizbarkeit durch anhaltenden Stress treten oft Probleme in zwischenmenschlichen Beziehungen auf.
Dagegen sind kurzfristige Stressreaktionen völlig unbedenklich und können sich sogar positiv auf uns und unsere Verhaltensweisen auswirken. Eigentlich sind Stressreaktionen auch nicht darauf ausgelegt ewig anzudauern. Aber wie kann es dennoch dazu kommen, dass Stress länger andauert und gesundheitsschädlich wird?
Teufelskreise durchbrechen und Stress reduzieren
Im Laufe der langen Geschichte der Menschen haben sich einige Teufelskreise entwickelt. Wenn wir eine Situation als Bedrohung wahrnehmen, dann aktiviert sich die Amygdala und sorgt schließlich dafür, dass sich unsere Muskeln anspannen, damit wir kämpfen oder fliehen können. Über die Jahre hat sich diese Muskelanspannung für die Amygdala selbst zu einem Gefahrensignal entwickelt, d.h. Muskeln werden angespannt und diese Muskelanspannung wiederum erhöht die Aktivierung der Amygdala (sh. Abbildung 3).
Abbildung 3: Ein möglicher Teufelskreis
Es ist also wichtig, dass wir von Zeit zu Zeit bewusste Ruhephasen einlegen, um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, beispielweise, indem wir bewusst unsere Muskeln entspannen - dies ist der Ansatzpunkt der Progressiven Muskelrelaxation (PMR). Die Vorgehensweise der PMR ist dabei auf den ersten Blick paradox. Zunächst werden verschiedene Muskelgruppen systematisch angespannt - und erst danach bewusst entspannt. Dieser Kontrast macht es möglich, dass man die Entspannung deutlich leichter spüren kann. Die folgende Abbildung verdeutlicht dir diesen Zusammenhang noch einmal (Abbildung 4):
Abbildung 4: Anspannungsniveaus bei der PMR (Differenz 2)
Die erlebte Differenz im Anspannungsniveau ist größer (Differenz 2), wenn die Muskeln zuvor angespannt werden, als nach einer reinen Entspannung (Differenz 1). Aber am besten probierst du es gleich selbst aus und holst dir die Mindance App, um die PMR durchzuführen.
Neben der Muskelanspannung gibt es natürlich auch kontextuelle bzw. äußere Faktoren, wie beispielsweise unflexible Arbeitszeiten oder eine negative Organisationskultur, die eine Entspannungsreaktion erschweren. Es gibt aber auch weitere Teufelskreise, die direkt in unserer Hand liegen, wie beispielsweise eine flache Atmung, Grübeln oder Vermeidung. In der Mindance App findest du neben der PMR, viele weitere Techniken, wie Atemübungen, das Autogene Training und Achtsamkeitsmeditationen, die dir helfen einen konstruktiven Umgang mit Stress zu erlernen. Du kannst Stress also nicht für immer und ewig aus deinem Leben verbannen, aber du kannst lernen, gelassener mit stressigen Situationen umzugehen und Teufelskreise zu durchbrechen, so dass Stress langfristig ein positiver Antriebsmotor wird.
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